HCS Human Capital SystemVirtuelles Lebenswerk von Heinrich Keßler, Appenweier


Kontext: Begriffe in Projekten und im Projektmanagement


Planungsstand: "Die Berechnungen und Bewertungen sind abgeschlossen."

Bewertungen sind immer subjektiv. Die ihnen zu Grunde gelegten Berechnungen und Annahmen können zwar durch Dritte, Daten oder Fakten bestätigt und belegt werden, dennoch ist und bleibt die Bewertung eine subjektive.

Bewerten sind immer von den Absichten und Zwecken sowie den situativen Umständen der Bewertung abhängig. Bewertungen werden immer von Menschen vorgenommen. (Maschinen können bestenfalls etwas berechnen, aber niemals bewerten.)

Bewertungen können z.B.

  1. zu früh erfolgen, z.B. auf Grund von Vorurteilen, Unwillen, überschwänglicher Begeisterung,
  2. zu spät erfolgen, d.h. erst "wenn der Markt verlaufen ist" und die Bewertung nicht mehr erforderlich wird oder ist,
  3. einseitig erfolgen, z.B. wenn zur Bewertung nur solche Kriterien hinzugezogen oder zugelassen werden, die voraussichtlich zu einem erwünschten Bewertungsergebnis führen,
  4. zu viele Optionen offen oder zulassen, d.h. die Bewertungen werden nicht ausreichend scharfgestellt, so dass sie zu eindeutigen Ergebnissen führen (müssen),
  5. nur eine Entscheidung zulassen, d.h. die Bewertungen verschließen alle bestehenden Alternativen,
  6. einem (offenen oder heimlichen) Wunsch oder Auftrag folgen: Die Bewertungen liefern die erwarteten (und bezahlten) Ergebnisse, z.B. bei Gutachten, Tests,
  7. manipuliert werden, z.B. indem Interessen oder Kriterien in den Vordergrund gestellt werden, die alle Bewertungsvorgänge beherrschen,
  8. leichtsinnig oder dilettantisch erfolgen, z.B. wenn einige wenige Daten generalisiert werden oder generelle Daten auf den Einzelfall ungeprüft übernommen werden,
  9. falsch sein, wenn z.B. nach ungeeignete Kriterien bewertet wurde,
  10. richtig oder zumindest brauchbar bzw. verwendbar sein.

Typische Bewertungskriterien sind z.B.

  1. Passung, z.B. zur Organisation, zu den Kompetenzen, zu den Strategien, zum Budget, zu den Partnern, zu den Prozessen,
  2. Eignung, z.B. der Organisation, der Personen, der Produkte, der Einrichtungen,
  3. Kompatibilität, z.B. mit den Strukturen, Technologien, Einrichtungen, Prozessen, anderen Vorhaben,
  4. Attraktivität, z.B. für das Unternehmen, für Kunden,
  5. Nutzen, z.B. für das Unternehmen, für Experten, für die Wissenschaft und Forschung,
  6. Nachhaltigkeit, z.B. von Gewinn, Folgenlasten, Folgekosten,
  7. Wirtschaftlichkeit, z.B. Dauer der Amortisation der Kosten, Anfälligkeit, Dauer,
  8. Neuerungswert, z.B. von Innovationen, Design, Anwendungen, Gebrauch,
  9. Wiederverwendbarkeit, z.B. von Hilfsmitteln, Werkzeugen, Einrichtungen, Ergebnissen,
  10. Folgen, z.B. für das Unternehmen, die Personen, Natur, Umfeld, Umwelt,
  11. Risiken, z.B. von Scheitern, Abbruch, Haftungen,
  12. Chancen, z.B. für weitere Projekte, Produkte, Märkte, Entwicklungen,
  13. Kalkül, z.B. bezüglich Reaktionen von Dritten.

In Organisationen und insbesondere in Projekten um im Projektmanagement sind folgende Bewertungen nahezu immer zweckdienlich:

  1. Welche Kriterien werden für die Bewertungen herangezogen bzw. zugelassen?
  2. Welche Anforderungen werden an die einzelnen Kriterien gestellt, die bei der Bewertung ausschlaggebend sind?
  3. Was sind die Mindestgrößen, Mindestwerte, Untergrenzen?
  4. Was sind die Höchstwerte, Obergrenzen? (Z.B. Budget, Personaleinsatz.)
  5. Werden die Kosten durch Erträge gedeckt?
  6. Rechtfertigt sich der Aufwand?
  7. Wo ist mit einem kleinen oder kleinerem Aufwand eine große Wirkung zu erzielen?
  8. Erscheinen die Ergebnisse mit den vorgesehenen Mitteln erreichbar?
  9. Erscheinen die Ergebnisse in der vorgesehenen Zeit erreichbar?
  10. Erscheinen die geforderten oder gewünschten Qualitäten erreichbar?

Jede Bewertung sollte mit einer eindeutigen Einschätzung (Ergebnis genannt) enden, z.B.

  1. Ja, d.h. die Anforderungen an das jeweilige Kriterium werden erfüllt, oder
  2. Nein, d.h. die Anforderungen an das jeweilige Kriterium werden nicht erfüllt, oder
  3. dennoch "Ja", wenn nur einzelne unwesentliche Kriterien nicht oder nicht ausreichend erfüllt sind,
  4. dennoch "Nein", wenn nur einzelne wesentliche Kriterien nicht oder nicht ausreichend erfüllt sind.

Vielfach empfiehlt es sich, "unbefangene" Dritte zu den Bewertungen hinzuziehen, um die unvermeidliche Tendenz zu verringern, mit der "rosaroten Brille" oder "schwarzen Brille" nur das zu sehen, was man sehen möchte. Bei der Auswahl von Dritten sollte berücksichtigt werden, dass auch Dritte niemals objektiv, sondern immer nur "nach bestem Wissen und Gewissen" bewerten und zu ihrer Bewertung bzw. Urteil kommen. Die Gründe hierfür sind z.B.

  1. auch Dritte haben eine bevorzugte Sichtweise,
  2. professionelle Schwarzseher machen alles kaputt,
  3. wenn eigene Interessen oder Nutznießungen durch die Dritten zu erwarten sind, ist mit einer tendenziösen Bewertung zu rechnen,
  4. Gleichgesinnte verstärken (unbewusst oder absichtlich) die erwünschte Bewertung,
  5. Geschäftstüchtige greifen die "guten Ideen" ab und verwerten sie selbst,
  6. die bewertenden Dritten haben im Zweifelsfall "einen Namen zu verlieren" bzw. pflegen ihr Image durch die Bewertungen,
  7. die bewertenden Dritten können bestimmte Kriterien nach anderen Anforderungen bewerten und gewichten und deshalb zu Fehlbewertungen, Fehlurteilen oder Fehleinschätzungen kommen,
  8. auch den bewertenden Dritten stehen letztlich keine besseren Informationen oder Erkenntnisse zur Verfügung,
  9. die bewertenden Dritten können eventuell für ihre Bewertungen haftbar gemacht werden und gehen deshalb keinerlei Haftungsrisiko ein,
  10. die bewertenden Dritten können auch nicht "in die Zukunft schauen" und vorhersagen, was wirklich eintreten wird.

Eine Bewertung kann immer nur durch eine natürliche Person erfolgen. Techniken wie z.B. Berechnungsprogramme können zwar Berechnungen erstellen, niemals die Ergebnisse bewerten.

(Eine automatisierte Entscheidung ist die Ausführung eines Programmes, jedoch niemals kein Ergebnis irgendeiner Bewertung.)

Mahnungen:

Bewertungen erfordern einen klaren Standpunkt zum zu Bewertenden und eine eindeutige Sichtweise ("Brille") auf das zu Bewertende.

Wer sich nicht festlegen will, darf oder kann verheddert sich in den widersprüchlichsten Bewertungen und Bewertungsergebnissen: "Er sieht den Baum vor lauter Wald nicht mehr."

Wer seine Sichtweise wechselt wie das Chamäleon die Farbe, wird keine Bewertung zu Ende bringen: immer neue Kriterien und immer weitere Anforderungen scheinen immer weitere Bedeutungen zu erhalten. All das kostet Zeit und Geld, ohne dass dadurch die Bewertung einfacher würde.

Ein Verzicht auf eine (offizielle) Bewertung unterstützt Willkür und Beliebigkeit.

...und die Moral von der Geschichte oder: Was ist das Ergebnis?

Bewertungen machen begreifbar und angreifbar. Sie trennen Personen in

  1. Befürworter und Gegner,
  2. Interessierte und Uninteressierte,
  3. Mitträger und Mitläufer,
  4. Mitstreiter und Widersacher,
  5. Mitmacher und Widerstrebende,
  6. Wohlwollende und Missgünstige,
  7. Engagierte und Abwartende,
  8. Wissende und Besserwissende,
  9. Verantwortliche und Unverantwortliche,
  10. Verantwortungsträger und Verantwortungslose.

Notorische Bedenkenträger erschweren die Bewertungen zusätzlich. Gegebenenfalls "mit dem Kopf durch die Wand gehen können" ersetzt keine Bewertung, sondern ist bereits eine.

Auch die Bewertung aller Bewertungen ist eine ebensolche.

Das Ergebnis der Bewertungen ist Ermutigung oder Ernüchterung oder Begeisterung. Ein "negatives" Ergebnis einer Bewertung ist noch keine Entscheidung gegen das Vorhaben. Ein "positives" Ergebnis ist noch keine Entscheidung für das Vorhaben.

Die Bewertungen entstehen iterativ. Einmal getroffene Bewertungen sind von Zeit zu Zeit zu aktualisieren. Insbesondere sind die dann gemachten Erfahrungen, die Zwischenergebnisse und die neuen Einschätzungen einzuarbeiten.